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Veröffentlichungen:

Ostendorf, A.; Kulik, C.; Büsching, C.: Licht statt Schneidrädchen – Trennen von Glaswerkstoffen mittels Laserstrahlung. In: Zukunft Glas – von der Tradition zum High-Tech-Produkt, 5. Symposium; 17.–18. Juni. Zwiesel, 2004. S. 31– 40

Licht statt Schneidrädchen –

Trennen von Glaswerkstoffen mittels Laserstrahlung

 Einleitung 

Die Methode des Ritzens und Brechens zum Trennen von Glas ist so alt wie der Werkstoff selbst. Die letzte Revolutionierung dieses bis heute überwiegend eingesetzten Trennverfahrens wurde zu Beginn des 20. Jahrhunderts durch die Erfindung des Ritzrädchens erreicht. Der nächste relevante Evolutionsschritt im Bereich des Glastrennens ist der Einsatz von Laserstrahlung zum Vereinzeln von Glasbauteilen.

Industriell bedeutende Verfahren sind das Laserstrahlschmelzschneiden, das Laserstrahlritzen und das Laserstrahlsprengen. Diese Verfahren besitzen besonders im Bereich der High-Tech-Produkte deutliche Vorteile gegenüber dem Trennen mittels Ritzrädchen oder Gasflamme.

 Komplexe 2-D-Geometrien, die sich konventionell lediglich mittels aufwendiger Schleif- und Polierverfahren herstellen lassen, können mit Hilfe der Lasertechnik berührungslos und mit hoher Reproduzierbarkeit in einem Arbeitsgang realisiert werden. Je nach eingesetztem Verfahren sind die erzielbaren Güten der Trennkanten vergleichbar mit denen konventionell polierter Kanten. Die berührungslose Nachbearbeitung von Trennkanten mittels Laserstrahlung überzeugt vor allem durch die umweltfreundliche, emissionsfreie Umschmelzung zu Formen mit hoher Oberflächenqualität. Somit ist der leicht zu automatisierende Laser das Werkzeug der Zukunft in der High-Tech-Glasbearbeitung.

 Motivation und Grundlagen

 In Deutschland werden jährlich ca. 2,1 Mio. t Flachglas hergestellt. Hierbei dominiert das Floatglas mit einer Fläche von jährlich ca. 170.000.000 m². Die Veredelung von Flachglas zu höherwertigen Produkten nimmt mit 35 % des Gesamtumsatzes eine führende Position in der Glasverarbeitung ein /BVG04/. Neue, innovative und zeitgemäße Verfahren zum Trennen von Glaswerkstoffen besitzen somit ein besonderes Potenzial zur Steigerung der Wirtschaftlichkeit innerhalb der Glasbranche.

 Flachglas wird überwiegend durch Ritzen und anschließendes Biegebrechen vereinzelt. Dieser Prozess erzeugt Abplatzungen von Glassplittern und Ausmuschelungen entlang der Ritzspur. Mikrorisse sind in vielen Fällen Ausgangspunkte für weitere Schädigungen des Bauteils und dessen Versagen. Glassplitter können Kratzer auf  Glasoberflächen oder bereits aufgebrachten Beschichtungen hervorrufen. Diese Einflüsse können die Qualität des Produktes bis zur Unbrauchbarkeit mindern. Deshalb werden in vielen Fällen die Kanten in zusätzlichen Arbeitsschritten geschliffen und teilweise poliert. Diese Verfahrensweise bedeutet einen weiteren Arbeitsschritt und erfordert wiederum ein kosten- und zeitintensives Reinigen der Bauteile von den Bearbeitungsrückständen.  

Das Trennen von Glaswerkstoffen kann in Abhängigkeit von Glasart und Werkstoffeigenschaften mit Lasern unterschiedlicher Wellenlängen und Verfahren durchgeführt werden. Das Glas absorbiert UV-Strahlung (λ ≤ 380 nm) und das ferne IR (λ ≥ 4,5 µm) und ist im visuellen Wellenlängenbereich (380 nm λ ≤ 760 nm) überwiegend transparent. Im UV-Bereich werden die einfallenden Photonen von den Elektronen absorbiert und diese dadurch zu Schwingungen angeregt. Die Elektronen geben ihre Energie an die Atome ab, so dass die Energie der Strahlung in Gitterschwingungen und damit in Wärme umgewandelt wird. Im Bereich der FIR-Strahlung bedingen die Si-O-Gitterschwingungen eine vollständige Absorption in Silikatgläsern /Hüs04, Sch99/.

Die Wärmeentwicklung unter Einwirkung von NIR-Strahlung wird durch niederenergetische Elektronenübergänge im Glaswerkstoff befindlicher Elemente wie z.B. Fe verursacht.

Das Trennen von Glas mittels Laserstrahlung kann mit unterschiedlichen Verfahren durchgeführt werden, die sich nach ihrem Anteil an Emissionen, der Anzahl der Bearbeitungsschritte und den eingesetzten Laserstrahlquellen unterscheiden lassen.

Schmelzschneiden

 Das Trennen von Quarzglas wird in der Industrie bereits erfolgreich mit dem Laserstrahl durchgeführt. Der Trennprozess basiert auf dem direkten thermischen Schmelzen und Verdampfen des Glaswerkstoffes durch die eingesetzte Laserstrahlung. Die hierbei verwendete CO2-Laserstrahlung wird an der Glasoberfläche absorbiert und verursacht einen hohen Temperaturgradienten innerhalb der Schneidzone. In den Bereichen der Absorption basiert die Wechselwirkung im Wesentlichen auf der Bildung von Plasma mit einhergehender Verdampfung und Aufschmelzung des Materials bei hinreichend hohen Intensitäten. Quarzglas ist aufgrund seines geringen Wärmeausdehnungskoeffizienten von α = 0,5 · 10-6 · K‑1 prädestiniert für das Trennen mittels Laserstrahlschmelzschneiden. Thermisch induzierte Spannungen, die während und nach dem Trennprozess im Glas entstehen, liegen unterhalb der für das Glas kritischen Spannung und können durch eine nachgeschaltete Wärmebehandlung minimiert werden. Das Trennen dünner Wandstärken bis s = 1 mm ist ohne störende Prozesseinflüsse möglich. Bei dickeren Wandstärken s > 1 mm ist die richtige Wahl der Prozessparameter ausschlaggebend für einen Trennvorgang ohne Spannungsrisse bei erwünschter hochwertiger Kantenqualität. Immer weitere industrielle Verbreitung findet das Schmelzschneiden zum Vereinzeln von Borosilikatglas-Rohren. Die geringe Wärmedehnung lässt zwar ein präzises Trennen mittels Laserstrahlsprengen zu, von den Anwendern wird jedoch die weniger präzise und verrundete Trennkante, die durch den Schmelzschneidprozess entsteht, wegen Ihrer mechanischen Stabilität bevorzugt.

Laserritzen

Das Ritzen der Glasoberfläche durch thermisch induzierte Spannungen wird verstärkt seit Mitte der 90er Jahre zum Trennen von Glaswerkstoffen eingesetzt. Der Laser substituiert bei modernen Verfahren das Schneidrädchen und bietet den Vorteil eines verschleißfreien Werkzeuges. Die sehr gute Fokussierbarkeit der Laserstrahlung wird hierbei dazu genutzt, um thermische Energie gezielt in einen örtlich stark begrenzten Bereich einzubringen. Einsatz findet hier wieder überwiegend der CO2-Laser, dessen Strahlung an der Glasoberfläche absorbiert und in Wärmeenergie umgewandelt wird. Durch einen nachgeschalteten Kühlprozess wird - ausgehend von einem Initialriss - ein thermisch induzierter Oberflächenriss erzeugt. Die erforderliche Kühlung wird durch definierte Gas- oder Gas-/Flüssigkeits-Gemische realisiert. Der anschließende mechanische Brechvorgang ist ebenfalls bereits in industriellen Prozessen automatisiert umgesetzt worden /Sch03/. Die momentan verfügbaren industriellen Anlagen führen im Wesentlichen nur lineare Trennschnitte durch, was durch den minimalen Trennspalt bedingt ist. Die dadurch resultierende örtliche Nähe der Trennkanten des Produktes und des restlichen Substrates verursachen bei komplexen Konturen Ausbrüche beim Brechvorgang bzw. dem Vereinzeln von Bauteil und Restsubstrat.

 Laserstrahlsprengen

 Der Vorteil des Laserstrahlsprengens gegenüber den Ritzverfahren liegt beim Trennen des Werkstückes vom Restsubstrat ohne mechanische Einwirkungen. Das Laserstrahlsprengen kann mit zwei unterschiedlichen Verfahren durchgeführt werden. Das erste Verfahren ist vergleichbar mit dem Laserstrahlritzen, wobei die Vorschubgeschwindigkeit des Laserstrahls in Bezug auf das Produkt deutlich reduziert wird. Der Einsatz eines CO2-Lasers erleichtert die Handhabung des Systems, da der Strahl definiert über Scannersysteme geführt werden kann.

Das zweite Verfahren beruht auf der Mehrfachreflexion von für Glaswerkstoffe größtenteils transmissiver Nd:YAG-Laserstrahlung (Multiple Laser Beam Absorption, MLBA). Dieses Verfahren setzt einen Nd:YAG-Laser ein, dessen Strahlung je nach Glasstärke bis zu ca. 85 % vom Glas transmittiert wird. Die Vielfachreflexion des Strahls durch das zu trennende Bauteil hindurch erhöht die Gesamtabsorption und ermöglicht eine Induzierung von thermischen Spannungen über die gesamte Bauteildicke. Der durch die thermischen Spannungen hervorgerufene Riss breitet sich ausgehend von einem Initialriss senkrecht zur Hauptspannungsebene aus Durch die lokal begrenzten und zeitlich und örtlich veränderlichen, präzise regelbaren Wärmefelder kann der Riss mit dem Laserstrahl kontrolliert durch das Bauteil geführt werden. Vorteil ist hierbei, dass so mehrere Glasscheiben übereinander in einem Arbeitsschritt getrennt werden können. Auch Verbunde, wie zum Beispiel VSG, können so definiert vereinzelt werden. Vorteil des MLBA Verfahrens ist die konsequente Verkürzung der Prozesskette auf einen Arbeitsschritt.

Brechen, Schleifen, Polieren und Waschen der Werkstücke sind nicht mehr erforderlich. Hieraus ergeben sich Vorteile, die den Einsatz bei der Produktion von High-Tech-Produkten besonders Erfolg versprechend machen. Glassplitter, Schleifstaub und die notwendigen Reinigungsprozesse sind bei der Verarbeitung von beschichteten Gläsern zu vermeiden, und somit nicht nur ein ökonomisches Argument für den Laserprozess. Die Wirtschaftlichkeitsbetrachtung zeigt, dass die Gesamtprozesszeiten von konventionellen Trennverfahren in Verbindung mit Schleif- und Polierprozessen, Reinigung und Transport der Gläser, die Bearbeitungszeiten des MLBA-Prozesses übersteigen.

Die Oberflächen der Trennkanten des MLBA-Verfahrens besitzen die Qualität mechanisch polierter Oberflächen und erhöhen zusätzlich die Festigkeit der Bauteile. Hierdurch sind gegebenenfalls nachgeschaltete thermische Prozesse ohne Nachbearbeitung der Glaskante möglich /Hes03/. 

Umschmelzen von Kanten

 Die durch das Laserstrahlritzen und das Laserstrahlsprengen entstehenden Kanten sind sehr konturscharf und empfindlich gegenüber mechanischer Beschädigung Somit sind die Trennkanten nicht für alle Anwendungen sofort einsetzbar. Das Laser Zentrum Hannover entwickelt daher zwei Verfahren zum Nachbearbeiten lasergetrennter Glaswerkstoffe. Das erste Verfahren beruht auf dem Absprengen eines Glasspans an einer Lasertrennkante. Mittels CO2-Laserstrahlung wird ein Span unter einem Winkel von 45° von der Kante abgelöst und somit eine rissfreie Fase am Werkstück erzeugt.

Das zweite Verfahren beruht auf der Volumenerwärmung mittels Diodenlaser. Hierbei wird das Material der Kante aufgeschmolzen und durch die Oberflächenspannung des niederviskosen Glases verrundet. Diese Form der Bearbeitung verlangt eine thermische Nachbehandlung zur Reduktion der erzeugten Eigenspannungen.

Beide Verfahren befinden sich in der Entwicklung und werden aufgrund der noch sehr geringen Prozessgeschwindigkeiten nicht industriell eingesetzt. Diese Verfahren ermöglichen jedoch den Einsatz von lasergetrennten Glasbauteilen in Produkten, die eine stoßunempfindliche Glaskante mit hoher Oberflächenqualität benötigen. Beide Prozesse sind im Bereich der Kalk-Natron-Floatgläser nur in Verbindung mittels Laserstrahl getrennter Kanten einsetzbar. Die Mikrorisse konventionell getrennter Glaskanten rufen bei Erwärmung mittels Laserstrahlung eine sofortige Zerstörung des Bauteils hervor.

Praktische Anwendungen

 Praktische Einsatzmöglichkeiten finden diese High-Tech-Verfahren in Bereichen hochwertiger Glasprodukte. Beispiele sind Display-Gläser  und Solarzellen, KFZ-Spiegel und -Abdeckscheiben, sowie Designglasprodukte. Weiterhin werden im Bereich der Rohrglasvereinzelung und bei der Herstellung von Trinkgläsern Laserstrahl basierte Trennverfahren eingesetzt. Das Trennen von komplexen Konturen aus Quarzglas für den Einsatz in Lasersystemen erfolgt ebenfalls mit Laserstrahlung.

 Zusammenfassung

 Der Laserstrahl hat bei den modernen Trennverfahren für Glaswerkstoffe bereits Einzug gehalten. Beispiele dafür sind das Schmelzschneiden von Glasrohren, das Laserstrahlritzen von Displaysubstraten sowie das Laserstrahlsprengen von Rohrgläsern. Wirtschaftlich wird der Einsatz überwiegend in der Massenproduktion sowie bei High-Tech-Produkten. Über die verkürzte Prozesskette amortisieren sich Investitionen in die Laserstrahlquelle sehr kurzfristig. Der Laser besitzt somit das Potenzial, das Schneidrädchen in weiteren Bereichen der High-Tech-Glasanwendungen zu ersetzen.

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